Robins letzter Pfeil

Robin Shooteth His Last Shaft
   1883 by
Howard Pyle

Diese Geschichte ist eine der allerschönsten der Legende - und auch die traurigste. Jedenfalls finde ich persönlich sie wunderschön, es lässt sich schwer sagen warum, aber irgendwie werden in dieser Geschichte so viele wichtige Teile der Legende (Freundschaft, Mut, Tragik, z.B.) versammelt. Es gibt einen einzigen Film zu Robin Hood, der es gewagt hat, die Geschichte so enden zu lassen, und zwar Robin & Marian mit Sean Connery als altem Robin Hood. In der Serie Robin of Sherwood schießt Robin of Loxley zwar ebenfalls seinen 'letzten Pfeil' ab, aber nach seinem Tod gab es sofort einen 'neuen' Robin Hood und die Szenerie ist auch etwas anders.

Eines Tages, als Robin schon recht alt geworden war, fühlte er sich nicht wohl. Eine alte Wunde schmerzte und da nichts dagegen helfen wollte, machte er sich schließlich mit Little-John auf den Weg nach Kirklees, da seine Tante (oder auch Base) dort die Äbtissin war und sich auf die Heilkunst verstand.
Was Robin nicht wusste, war, dass die gute Frau Robin gar nicht sonderlich mochte und sich schließlich entschlossen hatte, ihn umzubringen. Dafür waren verschiedene Gründe angegeben:

1) Robin sollte Unehre über die Familie gebracht haben, da er Geächteter geworden war

2) Sie hatte sich in Robin verliebt und er hatte sie zurückgewiesen, daher hasste sie ihn

3) Sir Roger of Doncaster hatte ihr Geld dafür gegeben

Wahrscheinlich war es eine Mischung daraus. Jedenfalls begrüßte sie Robin sehr freundlich und führte ihn - ohne John - in ein Gemach, wo sie alles vorbereitet hatte. Um Robin denkend zu machen, dass sie ihn nur zur Ader lassen wollte, verhielt sie sich auch wie bei einem Aderlass, schnitt ihm dabei aber statt einer Vene eine der Schlagaders auf (in der Ellebogenbeuge, da, wo auch Blut abgenommen wird). Schließlich gab sie Robin noch ein Gift oder Schlafmittel und als dieser halb ohnmächtig auf sein Lager fiel, verließ sie den Raum und schloss heimlich hinter sich ab. Robin dämmerte vor sich hin, während sein Blut immer weiter floss. Schließlich wurde er wach und bemerkte jetzt natürlich, dass etwas nicht stimmte. Mit letzer Kraft zog er sein Horn und blies hinein, auch wenn es nicht mehr so laut tönte, wie früher im Sherwood, wurde es doch von dem draußen wartenden John gehört, dieser stürmte nach oben, brach die Türe auf und fand seinen Anführer bleich und voller Blut auf dem Lager liegend vor.
Obwohl er sein bestes tat, die Wunde zu schließen, brachte es nichts, Robin hatte einfach zu viel Blut verloren. Als John daraufhin schwor, das Kloster abzubrennen und die Äbtissin eigenhändig zu töten, zwang Robin ihn, von diesem Gedanken abzulassen, er habe niemals einer Frau etwas zuleide tun wollen und wollte auch nicht, dass es später in seinem Namen geschehe. Dann fiel ihm plötzlich sein geliebter Langbogen ein. Er bat John, ihn aufzurichten und ihm beim Spannen des Bogens zu helfen, was dieser auch tat. Obwohl Robin kaum mehr Kraft hatte, gelang es ihm, den Pfeil abzuschießen, der durch das Fenster der Abtei nach draußen flog und sich erst ein ganzes Stück weiter in den Boden bohrte. Robin bat John, ihn dort zu begraben, wo der Pfeil niedergefallen war und verabschiedete sich von seinem besten Freund. John versprach, alle seine Wünsche zu erfüllen und hielt den Freund fest, bis er schließlich seinen letzten Atemzug getan hatte.
Um Robins Leichnam vor irgendwelchen Schändungen zu schützen, trug er ihn eigenhändig noch in der gleichen Stunde hinunter und rief die anderen Geächteten zusammen.
Wie Robin es sich gewünscht hatte, begruben sie ihn an der gleichen Stelle, an welcher der Pfeil den Boden berührt hatte und legten seinen Bogen neben ihn. Kurz darauf trennten sie sich und wurden ehrliche Leute, die noch ihren Enkelkindern von Robin Hood und seinen Taten erzählte.

Ich würde sagen, das Schlusswort überlasse ich der vor einigen Jahren verstorbenen Schriftstellerin Rosemary Sutcliff und ihrem Robin Hood:

Über Robins Grab spielten im Frühling die Schatten der grünen, knospenden Bäume, im Herbst rieslete goldenes Laub herab und deckte es zu. Wieder wurden die Feuerstellen in der Stane Ley [der Name des Hauptquartiers] vom Gras überwuchert, und niemand saß mehr zwischen den knorrigen Wurzeln der riesigen Linde.
Es war, als hätten Robin und seine Männer niemals die Wälder durchstreift.
Aber in den Herzen der Menschen lebten sie fort, und sie leben darin noch heute, weil sie sich mit ihrem Leben eingesetzt haben für Freiheit, Gerechtigkeit und Güte.

 

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