Phoolan Devi

 

Devi wurde als Mitglied einer unterprivilegierten Kaste im ländlich geprägten Norden Indiens geboren. Sie wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf und wurde mit 11 Jahren mit einem Mann verheiratet, der ihrer Familie für diesen Deal eine Kuh gab. Da sich das junge Mädchen vor Sex fürchtete und daher jedes Mal schrie, wenn ihr Ehemann den Beischlaf vollzog, trennte sich dieser kurz nach ihrem zwölften Geburtstag von ihr, indem er sie an einem Fluss aussetzte. Wenn eine Ehefrau von ihrem Mann verstoßen wird, bedeutet das in der indischen Gesellschaft für die Eltern den Verlust der Ehre. Sie rieten ihrer Tochter zum Selbstmord, um auf dieser Weise die Familienehre wiederherzustellen. Weil das Mädchen diesen 'gutgemeinten Ratschlag' nicht befolgte, schoben sie ihre Tochter zu Verwandten ab. Dort bekam sie als geschiedene Frau aus ärmlichen Verhältnissen die ganze Härte des indischen Gesellschaftssystems zu spüren, welches auf einer strikten Trennung der Kasten beruht. Phoolan stammte aus der Kaste nur wenig angesehener Fischer, den Mallahs. Diese Kaste wurde häufig von den höhergestellten Thakurs unterdrückt. Im Dorf wurde sie schnell zum Ziel des Hasses der Männer aus den besseren Kasten. Schließlich wurde sie aufgrund einer falschen Anzeige eines Verbrechens beschuldigt und im Dorfgefängnis eingesperrt. Nach 20 Tagen im Polizeigewahrsam, in dem sie mehrfach vergewaltigt wurde, wurde sie gegen Kaution freigelassen. Die Kaution wurde von den Tharkurs gestellt, denen auch das Land gehörte, welches ihr Vater bearbeitete. Als Gegenleistung verlangten sie Sex von ihr.


Im Alter von 22 Jahren wurde Devi von einer Bande Banditen unter Führung des als äußerst brutal geltenden Basu Gujar entführt. Unter Gujar mußte sie eine Reihe von Brutalitäten und Demütigungen erleiden. Aber nach drei Tagen wurde Gujar von Vikram Mullah, seinem aus einer niederen Kaste stammenden Stellvertreter, erschossen, der Devi heimlich bewunderte. Dieser übernahm nun die Führung der Outlaws und Phoolan wurde seine Geliebte. Das nächste Jahr verbrachten sie damit, Dörfer höherer Kasten und Züge zu überfallen, zu Rauben, Morden und zu Plündern. Das währte ein Jahr, dann wurde Vikram von zwei ehemaligen Bandenmitgliedern erschossen, die sich nicht damit abgefunden haben, dass ein Mitglied einer niederen Kaste die Führung der Bande übernommen hatte. Die Mörder, zwei Brüder Namens Sri Gram und Lala Gram, gehörten der selben höheren Kaste an wie ihr ehemaliger Anführer Bass Gujar. Als Zeichen ihrer Machtergreifung nahmen sie die Geliebte des ehemaligen Führers gefangen und verschleppten sie in das Thaikur-Dorf Bemai. Dort wurde Devi unter unmenschlichen Bedingungen in einer Hütte gefangengehalten und von den Männern des Dorfes bis zur Bewusstlosigkeit vergewaltigt. Erst am 23ten Tag ihrer Gefangenschaft wurde sie von einem Priester des Nachbardorfes befreit.


In der Folgezeit baute sie mit Man Singh, einem befreundeten Banditen, eine neue Bande auf. 17 Monate später kehrte sie in das Dorf ihrer Gefangenschaft zurück.
Die Bewohner des Dorfes Bemai dachten sich nichts dabei, als am 14. Februar 1981, dem Valentinstag, eine mit Polizeiuniformen bekleidete Gruppe über den heiligen Fluss Yamuna setzte. Ungewöhnlich war nur, dass diese Gruppe von einer jungen Frau angeführt wurde, welche mit Stiefeln, Blue Jeans und einem khakifarbenen Mantel bekleidet war. Drei silberne Sterne am Mantel wiesen sie als 'deputy Superintendant of Police' aus. Sie hatte einen leuchtenden Lippenstift und Nagellack aufgelegt und ihre Haare waren zu einer ungewöhnlichen Kurzhaarfrisur geschnitten. An ihren Hüften hing ein Patronengurt und in ihrer Hand hielt sie ein batteriebetriebenes Megaphon.
Während sich die Dorfbewohner neugierig versammelten, führte sie ihre Truppe zu dem Schrein des Shiva, dem Gott der Zerstörung. Dort knieten die Männer nieder und beteten.
Als sich die Dorfbewohner schon langsam zerstreuten, sprang die junge Frau auf die Brüstung des Dorfbrunnens und schaltete das Megafon ein:

"Listen, you Guys! If you love your lives, hand over all of the cash, silver, and gold you have. And listen again! I know that Lala Ram Singh and Sri Ram Singh are hiding in this village. If you don't hand them over to me, I will stick my gun into your butts and tear them apart. This is Phoolan Devi speaking. Jai Durga Mata!" ("Victory to Durga the Mother Goddess!")
Daraufhin begannen die Männer das Dorf zu durchsuchen. Nur die junge Frau blieb am Brunnen zurück, das Dorf mit aufmerksamen Blicken musternd. Nach einer Stunde Suche kehrten Männer zurück. Von den beiden Ram-Brüdern hatten sie keine Spur gefunden und die Dorfbewohner stritten ab, diese jemals gesehen zu haben.

"You are lying!" schrie die junge Frau durch das Megafon. "I will teach you to tell the truth!"

Sie gab die Order, alle jungen Männer des Dorfes zusammenzutreiben. 30 von ihnen wurden zum Brunnen gezerrt, wo sie sich in einer Reihe aufstellen mussten. Devi spuckte sie an und warnte sie nochmals:

"Unless you tell me where those bastards are, I will roast you alive."

Die Männer verneinten abermals, die Brüder jemals gesehen zu haben. Devi schritt die Reihe der Gefangenen ab und stieß ihnen in unkontrollierten Wutanfällen die Turbane von den Köpfen und den Gewehrkolben in die Genitalien. Schließlich gab sie den Befehl, die Männer an das Flussufer zu führen, wo sie sich sie sich in einer Reihe hinknien und den Kopf zu Boden neigen mussten. Dann eröffneten die Banditen das Feuer. Die Körper der 30 Männer vielen von unzähligen Kugeln getroffen zu Boden. 22 von ihnen starben.
Das Massaker zu Uttar Pradesh machte aus dreierlei Gründen internationale Schlagzeilen. Erstes, weil es das größte Massaker des modernen Indiens war. Zweitens, weil es von einer Frau begangen wurde. Drittens, weil Männer aus einer hochangesehenen Kaste von einem Mitglied einer niederen Kaste ermordet wurden.


Dem Massaker folgte die die größte Fahndungsaktion in der Geschichte des Staates Uttar Pradesh. Über 2000 Polizeibeamte und ein Hubschrauber wurden auf Phoolan Devi angesetzt, aber Devi konnte immer wieder die Polizei überlisten. Einmal entkam sie ihren Häschern, indem sie in drei verschiedenen Verkleidungen in einem Dorf auftrat, das von der Polizei durchsucht wurde.


Erst im Februar 1983, als die meisten ihrer Bandenmitglieder tot und ihre eigene Gesundheit als Folge des unsteten Lebenswandels sehr angeschlagen war, ergab sie sich den Behörden im Nachbarstaat Madhya Pradesh. Sie ergab sich nur unter der Bedingung, dass sie nicht gehängt würde und ihre Männer nicht mehr als 8 Jahre absitzen müssten. Ferner sollte ihrem Bruder ein Regierungsposten zugesagt werden und ihre Familie sollte ein Stück Land erhalten.
Ihre Kapitulation war wie ein Bühnenstück in Szene gesetzt. Unter dem tosenden Beifall tausender Anhänger erstieg Devi in Begleitung ihrer Bande und ihrer Familie die Stufen der 23 Fuß hohen überdachten Bühne, hinduistische Musik ertönte aus einem Lautsprechersystem. Devi trug eine neue khakifarbene Polizeiuniform, in deren Brusttasche ein silbernes Figürchen der Göttin Durga steckte. Ein um die Stirn gebundenes rotes Halstuch hielt die langen Haare zurück und an ihrem Handgelenk trug sie ein silbernes Armreif, das Symbol der Sikhs. Über ihre Schulter hing eine .315 Mauser. Nachdem sie sich vor den Portraits Ghandis und Durgas verneigt hatte, kniete sie vor dem Premierminister des Staates Madhya Pradesh nieder und berührte seinen Fuß. Nach einem Moment des Zögerns wandte sie sich wieder der Menge zu und hob ihr Gewehr über den Kopf. Anschließend übergab sie vor den Augen der Weltpresse die Waffe und 25 Patronen an den Minister. Die Kapitulation machte Schlagzeilen von Neu-Delhi bis Washington.


Devi wurde aufgrund von 48 Verbrechen angeklagt. Aber ihr Prozess wurde über Jahre hinweg immer wieder verzögert, weil nach der Kapitulation ein Regierungswechsel stattfand und sich die Staaten Madhya Pradesh und Uttar Pradesh nicht über den Ort des Prozesses einig werden konnten. Devi verbrachte 11 Jahre ohne Prozess im Gefängnis.


Erst im Jahre 1994, nachdem ein aus einer niederen Kaste stammender Politiker die Wahl in Uttar Pradesh gewonnen hatte, wurde Devi gegen Kaution freigelassen. Sie gab ihr politisches Angagemant nicht auf und wurde wenig später in das indische Parlament gewählt.

 

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