Der Schinderhannes

 

Johannes Bückler wurde 1778 als Sohn eines armen "Schinders", d. h. Abdeckers geboren in Miehlen im Taunus geboren.1787 zog die Familie nach Merzweiler (Norden der Rheinpfalz) in den Geburtsort des Vater, wo der "Schindersohn" auf Abwege geriet, und systematisch Hammel stahl, weil er für ein lustiges Leben unter Alterrsgenossen Geld brauchte. Der Lehrmeister (ebenfalls Abdecker) Nagel erstattette 1795 Anzeige und ließ Hannes verhaften, der daraufhin nachts über die Dächer entwich. Durch diese Tat wurde er zu einem ausgebrochenen Dieb, der nicht wieder in die bürgerliche Gesellschaft zurückkehren konnte und das abenteuerliche Räuberleben des "Schinderhannes", das schon zu seiner Lebenszeit für Legenden sorgte, begann.

Anfangs trieb Johannes sich ziemlich planlos auf dem Hunsrück herum, bis er Spießgesellen fand und mit ihnen das Diebesleben in größerem Stil fortsetzen konnte. Durch seine gewagten Schachzüge (z.B. raubte er des öfteren ein Lager aus und verkaufte die Beute dann an den Eigentümer zurück) und seinem fast wundersamen Geschick, aus jeder Festnahme zu entkommen, bekam bald den Ruf, mit dem Teufel im Bunde zu stehen und die Bevölkerung sprach oft nur im Flüsterton von ihm.

So pendelte Schinderhannes unter verschiedenen Identitäten unbehelligt immer von einer Rheinseite zur anderen, sobald ihm auf der einen der Boden zu heiß wurde.

Im Jahre 1799 verbrachte Hannes ein halbes Jahr im Gefängnis von Simmern (Hunsrück), kaum wieder frei fasste er zum ersten Mal den Plan ins Auge, eine große Bande anzuführen, die unter seinem Befehl Diebstahl in richtig großem Stil betreiben konnte. Da er sich bei der Flucht ein Bein gebrochen hatte, und im kommenden Frühjahr die hübsche Julia Bläsius (bekannt unter "Julchen") kennenlernte und mit ihr zusammenlebte (ohne kirchlichen Segen) konnte er den großen Plan erst im Herbst 1800 verwirklichen.

In Kellenfels, Hahnenbach und Birkenfels wurden Lager errichtet, die kleinen Residenzen gleichen: Es gibt rauschende Feste mit Gesang und 'Damen', Wächter vor den Eingängen und sogar Angestellte, die die gestohlenen Waren weiterverarbeiteten. So wurden dort auch die für Schinderhannes so typischen Jägeranzüge von seinem Leibschneider hergestellte.

Da dies das beste Leben war, das Hannes sich vorstellen konnte, versuchte er auch nicht, die politische Situation zu verändern, wie viele andere es in ähnlichen Stellungen taten. Durch wechselnde Freigibigkeit und Machtdemonstrationen konnte die Bande viele Dörfer in der Umgebung daran hindern, sie anzuzeigen, sie gingen sogar so weit, auf 'Anzeige' von Dörflern Wucherer zu überfallen und sich so die Beliebtheit der Bevölkerung zu sichern. Einbruch, Raub, Diebstahl und Erpressung war schließlich für Schinderhannes und seine Gesellen ein rationelles Gewerbe. Ein versierter Schreiber erledigte die Korrespondenz von Drohbriefen der Bande. Immer wieder erpreßte sie so trotz "freundlicher Grüße" oder "Gruß und Bruderlieb" Zahlungen, indem sie Kaufleute oder Metallindustrielle mit hohen Kautionen zu "Audienzen" lud. Regelmäßige Steuern Tributwilliger gaben der Bande eine solide Finanzgrundlage, wenn Schinderhannes auch gegen verarmte "Steuerzahler" stets Großmut walten ließ. Darüber hinaus zeigten alle Einbrüche eine sorgfältig ausgebildete Methode: Ein Balken rammte die Türen. Die Banditen fesselten und knebelten die Hausbewohner, raubten, drohten jedem, der schreiben wollte, mit dem Tod und verschwanden. Weil Schinderhannes die Brücken zu einem neuen, ehrbaren bürgerlichen Leben nie ganz abbrechen wollte (und auch auf alle Fälle" kein Mörder in den Augen der Justiz werden möchte) scheut er jedes Blutvergießen und versuchte, wenn auch oft vergeblich, die Spießgesellen zu bändigen. Julchen, seine Frau, begleitete ihn in Männertracht, falls sie nicht rechtsrheinisch Kurzwaren oder Beute verkauft.

Einer der berühmtesten Genossen des Schinderhannes war Johann Leiendecker, Schuhmacher, der viele der Raubüberfälle mitplante.Von ihm stammt wahrscheinlich auch die Idee, "Sicherheitskarten" zu verkaufen, die vor dem Zugriff der Bande schützten. Im Gegensatz zu vielen seiner Mitgenossen wurde er nie richtig festgenommen, setzte schließlich nach Holland über und wurde ein mehr oder minder ehrlicher Schuser.

Während um 1801 die französische Polizeiordnung allmählich an Wirksamkeit gewannt, fing auch die Bevölkerung an, von sich aus Widerstand zu leisten. Als Schinderhannes 1801 den jüdischen Großkaufmann Seckel Löw zu Staudernheim an der Nahe überfiehl, eilten die Bauern der beliebten Familie auf ihre Rufe hin bewaffnet zur Hilfe. Eine wüste Schießerei zwang die Banditen trotz heftiger Gegenwehr zum Rückzug. Weitere nächtliche Straßenkämpfe folgten in anderen Ortschaften.

Schinderhannes Ruf, unbesiegbar zu sein, verlort viel von seiner Macht, obwohl er jetzt erst recht mit seinen Gesellen Raub auf Raub ausführte. Seit 1802 griff Gendarmerie härter durch als zuvor, auf jeden erwischten Dieb wartete umgehend ein Militärgericht, das hart durchgriff und sofort ein Urteil fällte.

Und dann, im Frühling 1802 gab Schinderhannes auf. Um seiner Sicherheit willen wollte er ein bürgerliches Leben wiederbeginnen und ein ehrlicher Händler werden, aber es war breits zu spät - knapp entkam er im Sommer einer Verhaftung (Westerwald) und als er sich daraufhin für die deutsche, kaiserliche Armee anwerben ließ, wurde er von einem 'kleinen' Gauner erkannt und angezeigt. In Frankfurt wurde Hannes verhaftet und an die französischen Behörden in Mainz ausgeliefert, die sofort mit den Verhören begannen, die erst neun Monate später beendet wurden (insgesamt gab es 564 Punkte zu besprechen). Hannes hoffte auf eine Begandigung durch Napoleon, war deswegen geständig und sagte gegen eine große Zahl von Helfern aus.

Am 24. Oktober 1803 eröffnete ein Spezialgericht im damals franzöischen Maint die Hauptverhandlung gegen 68 Angeklagt. 173 Zeugen ludt die Staatsanwaltschaft, 260 Zeugendie neun Verteidiger. 53 Verbrechen allein wurden Schinderhannes zur Last gelegt, während die Prozeßakten sechs schwere Foliobände füllten und in französischer und deutscher Sprache ausgefertigt wurden. Tausende Gäste aus ganz Europa weilten in Mainz und stritten täglich um die 500 Eintrittskarten, deren Preise ständig stiegen und deren Erlös der Armenkasse zuflioss. Ganze zwei Tage dauerte allein die Verlesung der Anklageschrift.

Am Nachmittag des 19. November zog das Gericht seine Mitglieder zur Beratung zurück, am 20. November verkündete das Tribunal das Urteil gegen 42 Angeklagte, überwies einen zuständigkeitshalber den Gerichten zu Saarbrücken und sprach 20 Personen, mangels Beweises meist, frei. Auf Schinderhannes und 19 Komplizen erkannte das Gericht die Todesstrafe. Drei Morde, 20 Raubüberfälle und 30 Diebstähle hielt das Gericht bei Schinderhannes für erwiesen. Kerkerketten und Zuchthaus erwarteten die anderen, Vater Bückler erhielt eine 22jährige Kettenstrafe. Julchen Bläsius (die trotzdem später noch einen Gendarmen heiratet und 1851 als wohlachtbare Bürgersfrau stirbt) musste lediglich zwei Jahre ins Zuchthaus.

Am 21. November 1803 vollstreckte die Guillotine vor den Toren von Mainz unter den Augen von 40 000 Zuschauern die Todesurteile. Woran sich die Zuschauer hinterher erinnerte, war die Gefasstheit, mit der der Verurteilte Johannes Bückler, bekannt und gefürchtet als "Schinderhannes", seinem Tod entgegensah. Seine letzten Worte sollen gewesen sein: "Ich habe den Tod verdient, aber zehn von meinen Kameraden nicht."

Der Augenzeuge Weizel schrieb hinterher darüber: "Die Ruhe und Fassung dieses Menschen in dem entsetzlichen Momente war erstaunenswürdig. Kein Zug von Wildheit oder Brutalität entstellte sein Gesicht, er schien ruhig und heiter. Wäre er für eine gute Sache gestorben, man müsste seine kräftige Natur rühmen. Gewiss hätte was treffliches aus dem Menschen werden können. Sein Verhängnis wollte, daß er unter der Hand des Henkers sterben sollte."

Bei den Recherchen halfen mir vor allem die Seite http://www.net-art.net/Kropp/schinder.htm
und das Buch "Rebellen gegen das Gesetz" von Helmut Höfling

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